Raumfahrttechnologien und -anwendungen sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken und können vielfältig zur Lösung globaler Herausforderungen beitragen. So hat Raumfahrt eine klimapolitische, industriepolitische und sicherheitspolitische Dimension und Relevanz. Gleichzeitig verändern sich die Rahmenbedingungen für Raumfahrtaktivitäten und der Raumfahrtsektor selbst mit hohem Tempo.
Beim europäischen Raumfahrtgipfel am 6. und 7. November 2023 im spanischen Sevilla einigten sich die 22 ESA-Mitgliedsstaaten vor diesem Hintergrund auf eine Resolution mit den Schwerpunkten einer grünen und nachhaltigen Raumfahrt, eines unabhängigen, verlässlichen und international wettbewerbsfähigen Zugangs zum All sowie neue Beschaffungsansätze der Europäischen Weltraumorganisation ESA, um die Zusammenarbeit zwischen ESA und Industrie kommerzieller und dienstleistungsbasierter zu gestalten.
„Von Sevilla geht ein starkes Zeichen für die Zukunft der europäischen Raumfahrt aus. Mit der European Launcher Challenge setzen wir auf Wettbewerb und Innovation bei Trägerraketen. Das wird ein Meilenstein für den europäischen Zugang zum All. Es freut mich, dass wir während des deutschen Vorsitzes des ESA-Ministerrates so gemeinschaftlich neue Wege für einen starken europäischen Raumfahrtstandort gehen“, erklärt Luft- und Raumfahrtkoordinatorin Dr. Anna Christmann (MdB), die die Bundesregierung in Sevilla vertritt und den ESA-Rat am 6. November mit ESA-Generaldirektor Josef Aschbacher geleitet hat.
Mit Blick auf den europäischen Trägerraketen-Markt ist in Sevilla ein Durchbruch gelungen. Die von Deutschland initiierte sogenannte „European Launcher Challenge“ ebnet den Weg für einen effizienteren künftigen Trägersektor. „Damit haben wir einen Paradigmenwechsel erreicht: Wir wollen den Markt für den Wettbewerb kommerzieller Trägerraketen öffnen und damit mehr Kosteneffizienz und Resilienz schaffen. Denn in Europa können wir nur dann unabhängig und wettbewerbsfähig werden, wenn wir den Ansätzen aus der Vergangenheit eine neue Vision gegenüberstellen“, erläutert Dr. Walther Pelzer, DLR-Vorstandsmitglied und Generaldirektor der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR, der mit seinem Team in Bonn die deutschen Positionen der Konferenz vorbereitet und mit der Bundesregierung abgestimmt hat. Die gemeinsame Umsetzung der European Launcher Challenge sei der entscheidende Schritt in diese Richtung und solle nun bis zur nächsten Ministerratskonferenz 2025 in Deutschland vorbereitet werden, so Dr. Pelzer weiter.
Die ESA-Mitgliedsstaaten sicherten zudem die notwendige Unterstützung für den baldigen Erststart der Ariane 6 sowie die weitere Nutzung der Vega-C als feste Bestandteile der europäischen Launcher-Familie für institutionelle und kommerzielle Starts zu.
Darüber hinaus unterstützen die Mitgliedsstaaten die Ankündigung einer internationalen „Zero Debris“-Charter, die das Ziel hat, durch Raumfahrt verursachte Emissionen und Weltraumrückstände im Weltall selbst zu minimieren und Nachhaltigkeit zu stärken. Im Rahmen des informellen ESA-EU-Rates am 7. November soll zudem eine Deklaration verabschiedet werden, die den Nutzen und die Bedeutung der Raumfahrt für die europäischen Klimaziele und das kommerzielle Potenzial des europäischen Raumfahrtökosystems betont.
„Für Deutschland hat die Förderung des Klimaschutzes und die Nutzung von sauberen Technologien, die nur geringe bis keine Treibhausgasemissionen verursachen, oberste Priorität. Weltraumgestützte Daten und Dienste stellen hier ein entscheidendes Puzzleteil dar. Ohne unsere Aktivitäten im Weltraum könnten wir den Klimawandel nicht systematisch verfolgen und effektiv auf die Klimakrise reagieren. Zur grünen Raumfahrt gehört auch das Thema Nachhaltigkeit im All. Wir sind uns innerhalb der ESA-Mitgliedsstaaten einig, dass wir diese Schwerpunkte konkret ausbauen und vertiefen müssen, wenn wir unseren eigenen Zielen, dem Pariser Klimaabkommen und dem EU-Green Deal, gerecht werden wollen“, betont DLR-Vorstandsmitglied Dr. Walther Pelzer.
Das zweite Schwerpunktthema – die ESA als Motor für Europas Zukunft in der Raumfahrt und die Modernisierung der Durchführung ihrer Programme – umfasst neben der Frage des sicheren und eigenständigen Zugangs zum All auch nächste Schritte in der Weltraumexploration auf der Basis von Kommerzialisierung, dienstleitungsbasierten Ansätzen und konkurrenzfähigen Beschaffungsmodellen. Auf Wunsch vieler ESA-Mitgliedstaaten, auch Deutschlands, soll es vorbereitende Studien für einen Frachtdienst im so genannten Low Earth Orbit (LEO) geben. Dieser niedrige Erdorbit reicht bis in etwa 2.000 Kilometer Höhe, die meisten Satelliten und auch die Internationale Raumstation befinden sich hier. Auch hier sollen neue Beschaffungsansätze etabliert werden, ähnlich wie bei der „European Launcher Challenge“. Dazu soll ein kommerzieller Wettbewerb für einen Cargo-Rückholservice starten, bei dem sich Unternehmen aus Europa bewerben können, die bis 2028 Nachschub zur Internationalen Raumstation liefern und die Fracht zur Erde zurückbringen. Die öffentliche Finanzierung für die ersten Phasen des Projekts ist laut ESA bereits gesichert.
Quelle: www.dlr.de