Wasser aus der Tiefe pumpen, Lithium abtrennen und daraus Batterien fĂŒr die ElektromobilitĂ€t produzieren â die Idee vom umweltvertrĂ€glichen und regionalen Lithium als Nebenprodukt der Geothermie scheint vielversprechend. Doch inwiefern sich der heimische Abbau wirklich lohnt, war bislang nicht ausreichend geklĂ€rt. Ein Team des Karlsruher Instituts fĂŒr Technologie (KIT) hat jetzt den Forschungsstand zusammengefasst, RohstoffmĂ€rkte analysiert und Technologien bewertet. Demnach könnten in Deutschland theoretisch Tausende Tonnen Lithium pro Jahr gefördert werden, zentrale Fragen mĂŒssen aber noch geklĂ€rt werden.
FĂŒr die Energiewende benötigt Europa viele Batterien und dazu genĂŒgend Lithium, um sie zu produzieren. Die EuropĂ€ische Union (EU) stuft Lithium entsprechend als kritischen Rohstoff ein â es droht ein Lithiumdefizit. âWir sind dabei vollstĂ€ndig auf Importe angewiesen, weltweit stammen 80 Prozent des Lithiums aus Chile und Australienâ, sagt Valentin Goldberg vom Institut fĂŒr Angewandte Geowissenschaften (AGW) des KIT. âGleichzeitig nehmen wir erhebliche Umweltkosten beim konventionellen Abbau in diesen LĂ€ndern in Kauf, etwa negative Auswirkungen auf das Grundwasser.â Bei der Lithiumgewinnung in Geothermiekraftwerken dagegen soll bestehende Infrastruktur in Europa genutzt werden, mit der bereits groĂe Mengen Thermalwasser mit teilweise hohem Lithiumgehalt gefördert wird. Nach der Energieproduktion soll das Lithium dabei technologisch abgetrennt und das Wasser, wie im Kraftwerkbetrieb ĂŒblich, in den Untergrund zurĂŒckgefĂŒhrt werden. âGrundsĂ€tzlich sehen wir die Technologie sehr positiv. FlĂ€chenverbrauch und Umweltkosten wĂ€ren gering, genauso die Transportkostenâ, so Goldberg. Um zu klĂ€ren, welchen Beitrag heimisches Lithium zukĂŒnftig realistisch leisten kann, hat er nun gemeinsam mit einem Team am AGW das verfĂŒgbare Wissen zusammengetragen, analysiert und fĂŒr Deutschland erstmals das mögliche Potenzial berechnet.
Regionale Lithiumgewinnung als ökologische ErgÀnzung
Wie viel Lithium gewonnen werden kann, ist dabei nicht nur von den Lithiumkonzentrationen im Wasser abhĂ€ngig, sondern auch von der standortabhĂ€ngigen FlieĂrate und der ReservoirgröĂe. FĂŒr ihre SchĂ€tzung haben die Forschenden potenzielle Standorte in Deutschland betrachtet, die RohstoffmĂ€rkte analysiert und unterschiedliche Technologien hinsichtlich ihrer Effizienz, Anwendbarkeit und IntegrationsfĂ€higkeit fĂŒr die geothermische Energieproduktion bewertet. âAuf dieser Basis halten wir bei einer optimistischen AbschĂ€tzung eine jĂ€hrliche Produktion von ungefĂ€hr 2 600 bis 4 700 Tonnen Lithiumkarbonat-Ăquivalent fĂŒr möglich, wenn alle relevanten Geothermiestandorte mit entsprechenden Anlagen ausgerĂŒstet werdenâ, sagt Dr. Fabian Nitschke vom AGW, der ebenfalls an den Studien beteiligt war. âDamit könnten wir etwa 2 bis 13 Prozent des Jahresbedarfs der geplanten Batteriefertigung in Deutschland decken.â Durch den Zubau weiterer Geothermiekraftwerke sei eine Steigerung der Fördermengen denkbar, allerdings dauere es mindestens fĂŒnf Jahre, bis ein neu geplantes Kraftwerk in Betrieb geht. âAngesichts des globalen prognostizierten Lithiumdefizits und der geplanten Batteriefertigung wird sich die Lage speziell fĂŒr Deutschland rasch zuspitzen. Das Lithium aus der Geothermie kann mittelfristig also nur eine ErgĂ€nzung darstellenâ, so Nitschke.Â
Unterschiedliche Technologien im direkten Vergleich
Noch sind die Prognosen von vielen Unsicherheiten geprĂ€gt: Die GröĂe und die Herkunft der Lithiumvorkommen in den Geothermalsystemen sowie die Reaktion der Reservoire auf eine kontinuierliche Förderung werden zurzeit erforscht. Zudem befinden sich die Technologien zur Extraktion in einem frĂŒhen bis mittleren Entwicklungsstadium â entscheidende Entwicklungsstufen sowie Langzeittests stehen noch aus. âIm direkten Vergleich zeigten sich allerdings bereits spezifische Vor- und Nachteile, die fĂŒr eine wirtschaftliche Lithiumextraktion besonders relevant sindâ, sagt Dr. Tobias Kluge vom AGW, ein weiterer Autor der Studien. âSo wirken sich der Bedarf an zusĂ€tzlichen Rohstoffen, SchĂ€den durch Ablagerungen an Bohrlöchern, Extraktionseinheiten und der Energieverbrauch direkt auf die Wirtschaftlichkeit aus.â
Voraussetzung ist eine breite Akzeptanz
Ob die Lithiumgewinnung mittels Geothermiekraftwerke in Deutschland letztendlich realisiert wird, hĂ€ngt aber nicht nur von der weiteren Technologieentwicklung sowie geeigneten Standorten ab. Vielmehr seien auch gesellschaftliche UnterstĂŒtzung und Akzeptanz notwendig, betont Valentin Goldberg: âUnsere Veröffentlichungen im Magazin Grundwasser richten sich deshalb nicht nur an ein Fachpublikum. Vielmehr wollen wir EntscheidungstrĂ€gern in Politik und Wirtschaft aber auch allen interessierten BĂŒrgerinnen und BĂŒrgern die Möglichkeit geben, sich direkt und unabhĂ€ngig ĂŒber Chancen und Herausforderungen zu informieren.â Zudem biete ihre Arbeit nun eine Basis fĂŒr zukĂŒnftige Forschung und Entwicklung zu diesem gesellschaftsrelevanten Thema. Erstellt wurden die Studien im Rahmen der von der Abteilung fĂŒr Geothermie und Reservoir-Technologie der AGW geleiteten GeoEnergie Forschung im Helmholtz-Programm Energie sowie des Forschungsprojektes BrineMine des Bundesministeriums fĂŒr Bildung und Forschung (BMBF).
Originalpublikationen
Goldberg, V., Kluge, T., Nitschke, F.: Herausforderungen und Chancen fĂŒr die Lithiumgewinnung aus geothermalen Systemen in Deutschland Teil 1: Literaturvergleich bestehender Extraktionstechnologien. Grundwasser. (2022)(a) https://doi.org/10.1007/s00767-022-00522-5
Goldberg, V., Nitschke, F., Kluge, T.: Herausforderungen und Chancen fĂŒr die Lithiumgewinnung aus geothermalen Systemen in Deutschland Teil 2: Potenziale und Produktionsszenarien in Deutschland. Grundwasser â Zeitschrift der Fachsektion Hydrogeologie (2022)(b). https://doi.org/10.1007/s00767-022-00523-4
Details zum KIT-Zentrum Energie: https://www.energie.kit.edu/Â
Quelle: www.kit.edu